Chinesische Billig-Plattformen wie Temu und Shein haben endgültig auch heimische Konsumenten erreicht. Allerdings stehen sie zunehmend wegen schlechter Qualität, nicht erhaltener Sendungen, der nachteiligen Klima- und Umweltbilanz der Produkte sowie manipulativer Techniken in der Kritik.
„Temu ist erst im letzten Jahr in den österreichischen Markt eingestiegen. Innerhalb eines Jahres haben sie eine Marktdurchdringung erreicht, die ihresgleichen sucht“, schildert Handelsexperte Ernst Gittenberger von der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz am Donnerstag vor Journalisten. Quer durch Europa wächst die Kritik an der chinesischen Onlinekonkurrenz.Drei besonders beliebtUnter österreichischen Onlineshoppern hat in den vergangenen zwölf Monaten fast jede bzw. jeder Zweite bei einer der chinesischen Online-Plattformen eingekauft, zeigt eine JKU-Befragung unter rund 1000 Befragten. Besonders beliebt: Temu, Shein und AliExpress. Allein von Temu kommen pro Tag 30.000 Pakete nach Österreich. Die Zielgruppe seien vor allem junge Frauen zwischen 16 und 24 Jahren, die dort billige Mode und Kosmetik kauften. „Die Plattformen fallen aufgrund der Teuerung auf fruchtbaren Boden“, so Gittenberger. Konsumenten seien derzeit noch immer zurückhaltend mit ihren Einkäufen.Ausgaben sinkenDas erklärt auch, warum zwar die Zahl der Onlineshoppenden steigt, die Ausgaben aber sinken. Der Anteil der Onlineausgaben an den gesamten Einzelhandelsausgaben ist im Vorjahr in 20 von 27 EU-Ländern gesunken, in Österreich auf 9,8 Prozent. 2022 lag der Anteil noch bei 10,4 Prozent, 2021 aufgrund der Coronakrise bei historisch hohen 11,5 Prozent.Die Ausgaben bei chinesischen Online-Shops sind derzeit noch auf geringem Niveau. Zwischen Mai 2023 und April 2024 dürften sie laut einer JKU-Schätzung bei 600 bis 750 Mio. Euro gelegen sein. Das entspricht sieben bis neun Prozent der gesamten Online-Ausgaben der Österreicher, Tendenz steigend.Konsumverhalten dürfte sich nicht schwerwiegend ändernEine radikale Veränderung des Konsumentenverhaltens durch chinesische Anbieter erwartet Christoph Teller, Vorstand des Instituts für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) der JKU, nicht. „Wir sind Amazon sozialisiert und von diesem hohen Servicestandard werden wir nicht abweichen.“ Schlechte Warenqualität oder lange Lieferzeiten wurden in der Befragung als größte Probleme beim Kauf bei chinesischen Plattformen gesehen. Dem gegenüber stehen eine große Auswahl an Produkten und insbesondere billige Produkte als Hauptgründe für einen Einkauf.Widerstand regt sichDoch in ganz Europa regt sich Widerstand. Die Plattformen stehen zunehmend wegen schlechter Qualität, nicht erhaltener Sendungen, der schlechten Klima- und Umweltbilanz seiner Produkte sowie manipulativer Techniken in der Kritik. Erst kürzlich hat die EU-Kommission die Regeln für Shein verschärft und die Plattform offiziell in die Kategorie der sehr großen Online-Plattformen eingestuft. Damit ist Shein strengeren Vorgaben unterworfen, etwa was Vorkehrungen zum Schutz vor Produktfälschungen und Verletzungen der Rechte zum Schutz geistigen Eigentums betrifft. Außerdem werden für das chinesische Unternehmen jährliche Risikobewertungsberichte verpflichtend, die insbesondere mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher unter die Lupe nehmen müssen – mit einem Schwerpunkt auf dem körperlichen und geistigen Wohlbefinden von minderjährigen Nutzern. Temu dürfte als Nächstes an die Kandare genommen werden.