Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) haben der Ukraine weitere Unterstützung gegenüber Russland zugesagt. Kallas rief die Europäer überdies bei einem Besuch am Donnerstagabend in Wien zu mehr Investitionen in ihre Verteidigung auf. „Um abzuschrecken und einen Krieg in Europa zu verhindern, müssen wir glaubhaft und stark sein“, sagte sie. Die Bedrohung sei real. Kallas ist am Abend Nehammers Gast beim Opernball.
Nehammer betonte bei einem Pressegespräch mit der estnischen Regierungschefin, Österreich verurteile klar, den russischen Angriffskrieg und sei voll solidarisch mit der Ukraine. Österreich setze die Neutralität konstruktiv ein, sodass Krieg und Landnahme nie mehr politische Mittel sein sollen. Als neutrales Land sei Österreich klar in der Minderheit in EU, setze sich aber dennoch voll solidarisch bei Sanktionen gegen Russland und bei der Unterstützung der Ukraine ein. Österreich sei auf humanitäre Hilfe fokussiert, nehme etwa Kriegsversehrte auf, ermögliche auch militärische Hilfe im Rahmen der EU. „Wir werden diesen Weg konsequent fortsetzen“, so Nehammer.100 Jahre diplomatische BeziehungenDer Bundeskanzler erinnerte daran, dass zwischen Österreich und Estland 100 Jahre diplomatischer Beziehungen bestehen. Während Österreich 1955 frei geworden sei von sowjetischer Besatzung, hätten die baltischen Staaten dies nicht erreichen können, was eine „große Tragödie“ gewesen sei. In den baltischen Staaten habe es viele Opfer durch den Sowjetkommunismus gegeben, erinnerte Nehammer.Auch Kallas erinnerte an die sowjetische Besatzung im Baltikum und an die Unterschiedliche historische Entwicklung in Österreich und in Estland. Vor dem zweiten Weltkrieg habe sich Estland für neutral erklärt. „Wir haben auf die harte Art und Weise gelernt, dass neutral zu bleiben keine Option bei solchen Nachbarn ist.“ Estland habe fortan nicht mehr ohne Allianzen bleiben wollen und sei der EU und der NATO beigetreten.Estland glaubt an „Sieg der Ukraine“Estland glaube an einen Sieg der Ukraine, sagte Kallas. Um diesen zu ermöglichen, müsse die Ukraine „so lange es dauert und mit so viel wie benötigt unterstützt werden“. Die sogenannte Ramstein-Koalition der Ukraine-Unterstützerländer sei um ein Vielfaches stärker als Russland. Wenn die Ukraine-Unterstützer Kiew mit 0,25 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung unterstützten, „könnte dies der kritische Punkt sein“. Russland müsse außerdem weiter von internationalen Organisationen isoliert werden, forderte Kallas. Außerdem sei es an der Zeit, eingefrorene russische Vermögen für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden.Nehammer und Kallas verurteilten auch die Instrumentalisierung von Migranten durch Weißrussland und Russland an der EU-Außengrenze. „Sie setzen das in dem Schattenkrieg gegen uns ein“, so Kallas.Ministerpräsidentin zu Gast am OpernballDer Opernball-Gast aus Tallinn freute sich auf den Kultur-Event. „Lieber Karl, danke für die Einladung nach Wien“, sagte Kallas. Sie sei froh, „im Zentrum europäischer Kultur zu sein“. Kallas betonte zudem, Estland wolle die wirtschaftlichen Beziehungen zu Österreich in den Bereichen digitale Technologien und Dienstleistungen ausbauen.„Die bilateralen Beziehungen unserer beider Länder sind hervorragend und genau diese ausgezeichnete Zusammenarbeit wollen wir mit dem heutigen Treffen weiter stärken und ausbauen“, betonte auch Nehammer in einer Aussendung. Neben dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seien auch die Terrorattacke der Hamas auf Israel und die weiteren großen Herausforderungen im Kampf gegen illegale Migration Gesprächsthemen gewesen.