Im April des Vorjahres hat Deutschland die letzten noch aktiven Atomkraftwerke abgeschaltet. Im Kampf gegen den Klimawandel und auf der Suche nach grünen Alternativen zu fossilen Energieträgern setzte die Regierung in Berlin - entgegen einem immer größeren Trend in Europa - nicht auf die Atomkraft. Dies wird in den USA kritisiert. Der ehemalige Energieminister Steven Chu wirft der grünen Regierungspartei gar die „Verbreitung von Falschinformationen“ vor.
In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ rät Chu den Deutschen, ihre Energiepolitik dringend zu überdenken. Denn es drohe die Abwanderung von großen Teilen der Schwerindustrie. Diese sei nämlich auf eine stabile und preisgünstige Stromversorgung angewiesen - und zwar rund um die Uhr. „Wenn einzelne Leute also sagen, sie wollen dies nicht, sie wollen das nicht, sie wollen keine Atomkraft, sie wollen auch keine Kohle, sie können alles mit erneuerbaren Energien hinbekommen, dann betreiben diese Menschen offenkundig keine Halbleiterfabriken, keine Chemiefabriken oder Fertigungswerke“, so der 75-jährige Nobelpreisträger.Wenn man die Klimaziele erreichen, dabei aber Arbeitsplätze erhalten und im globalen Wettbewerb bestehen möchte, sehe die Atomkraft „nicht so übel“ aus, betont der ehemalige Minister. Seiner Ansicht nach wären nämlich Atomreaktoren Gaskraftwerken vorzuziehen, die in der vor Kurzem beschlossenen Kraftwerksstrategie Deutschlands vorgesehen sind. Diese sollen die Schwankungen bei der Stromeinspeisung durch Windkraft- und Solaranlagen ausgleichen, aber sukzessive auch auf den klimafreundlicheren Wasserstoff umgestellt werden.In diesem Zusammenhang spricht Chu aber von „Falschinformationen“, die die Grünen verbreiten würden. Die Position der Partei sei „nicht mit unserer zukünftigen Realität vereinbar“.Die „wahren“ Kosten des AtomstromsUmweltschutzorganisationen betonen allerdings immer wieder, dass die von der Atomlobby verbreitete These, dass Atomstrom so billig sei, nicht ganz stimme. So erklärt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland auf seiner Website, dass für den Bau von Atommeilern hohe Investitionen notwendig seien, die nur von großen Unternehmen gestemmt werden könnten. Dadurch komme es zu einem „mangelhaften Wettbewerb“ und möglichen Preisabsprachen. Hinzu kämen massive staatliche Subventionen.Zudem müsse man bedenken, dass der Strompreis „nicht die wahren Kosten der Atomkraft widerspiegelt“. In diesem Zusammenhang wird auf eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft zu den gesamtgesellschaftlichen, realen Kosten verschiedener Energieformen hingewiesen. Unter Berücksichtigen aller Faktoren für Mensch und Umwelt koste eine Kilowattstunde (kWh) Atomstrom bis zu 42,2 Cent. Die Windenergie liege hingegen nur bei etwa 8,1 Cent/kWh, wird aus der Studie zitiert.