Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean Claude-Juncker beurteilt die Annahme des ukrainischen Beitrittsansuchens als durchaus richtig, dennoch sieht der Luxemburger den Beitrittsgesprächen skeptisch entgegen. Denn: „Alle Beteiligten müssen wissen, dass es Vorbedingungen gibt, die erfüllt werden müssen, damit wir keine ungelösten internen Probleme in die EU importieren.“
Wenn eine differenzierte Mitgliedschaft die Beitrittsperspektive erleichtere, sei er nicht grundsätzlich dagegen. Eine schrittweise Annäherung, eine Art Fast-Mitgliedschaft der Ukraine, wäre wohl überlegenswert. „Sie wäre in jedem Fall realistischer als eine Vollmitgliedschaft in den nächsten drei bis fünf Jahren“, wagt Juncker im Gespräch mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ einen Blick in die unmittelbare Zukunft.Die EU hatte, wie berichtet, Mitte Dezember beschlossen, mit der Regierung in Kiew Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Bis die Ukraine dem Staatenbund tatsächlich beitritt, dürfte es aber noch viele Jahre dauern - nicht zuletzt wegen des Verteidigungskrieges gegen Russland. Juncker hatte vor dem EU-Beschluss in einem Interview gesagt, dass das Land wegen der „Korruption auf allen Ebenen der Gesellschaft“ noch lange nicht beitrittsfähig sei.Juncker: „Bin allergisch gegen Schnellschüsse“Schon 1997 habe die Ukraine versucht, ihm einen Beitrittsantrag zu überreichen, den er aber nicht angenommen habe, sagte Juncker weiter. Das sei ihm schon damals absolut verfrüht erschienen. „Wir wussten eigentlich nichts über die Ukraine. Ich war schon damals gegen Schnellschüsse allergisch und bin es auch jetzt.“ Er sei aber der Auffassung, dass es heute eine Beitrittsperspektive für die Ukraine geben müsse. „Ich bin aber dagegen, Versprechen zu machen, die man in einem von der Ukraine angestrebten Zeitraum nicht erfüllen kann. Das führte im Endergebnis dazu, dass sich das Land wieder enttäuscht von der EU abwendet“, warnt der 69-Jährige.